Das richtige Maß gilt nicht nur für den Verbraucher, sondern auch für die Werbung treibende Wirtschaft. In diesem Fall besteht das richtige Maß aus den richtigen Maßnahmen für ein verantwortungsbewusstes Marketing für alkoholhaltige Getränke, die Erwachsene ansprechen und keine Bevölkerungsgruppen diskriminieren oder deren Gefühle verletzen. Als Verbraucher können Sie direkt Einfluss nehmen. Wissen Sie auch wie?
Die Regulierung der Werbung für alkoholhaltige Getränke in Deutschland basiert auf zwei Säulen: einer funktionierenden, effektiven Selbstregulierung der Wirtschaft sowie verschiedenen gesetzlichen Regulierungen. Gesetzliche Regulierungen wie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das Jugendschutzgesetz, der Rundfunk- und der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag schützen die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Unternehmen als Mitbewerber. In Bezug auf das wichtige Thema des Jugendschutzes in der Werbung für alkoholhaltige Getränke ist im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag im § 6 Abs. 5 klar geregelt: „Werbung für alkoholische Getränke darf sich weder an Kinder oder Jugendliche richten noch durch die Art der Darstellung Kinder und Jugendliche besonders ansprechen oder diese beim Alkoholgenuss darstellen.“
Manchmal lässt sich trotz der umfassenden Regulierungen ein mögliches Konfliktpotential zwischen Werbung und Verbrauchern nicht vermeiden, denn auch juristisch einwandfreie Werbung kann unter Umständen auf einzelne Verbraucher unangemessen, beleidigend, sexistisch oder diskriminierend wirken. Um mögliche Konflikte schon im Vorfeld zu vermeiden, gibt es in Deutschland das System der freiwilligen Werbeselbstkontrolle, das sich zum Ziel gesetzt hat, ein verantwortliches Werbehandeln innerhalb der Branche zu fördern. Der Spitzenverband in Deutschland ist der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e. V. (kurz ZAW). Zu den Mitgliedern gehören Organisationen und Unternehmen aus den Bereichen der werbenden Wirtschaft, der Agenturen, der Medien und weiteren Werbung Durchführenden sowie der Werbeberufe und Marktforschung. Fast alle national werbenden Firmen der Alkoholbranchen haben sich dem ZAW über ihre Verbände oder unmittelbar als Mitglieder angeschlossen, da ihnen eine verantwortungsvolle Werbung sowohl in Bezug auf die Gestaltung als auch die Auswahl der Werbemedien besonders wichtig ist. Zusammen mit Herstellern, Händlern und Importeuren alkoholhaltiger Getränke hat der ZAW bereits im Jahr 1976 die „Verhaltensregeln über die kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke“ aufgestellt. Durch diesen Kodex, der über die gesetzlichen Regulierungen hinausgeht, werden Fehltritte der Werbewirtschaft vermieden oder nach Veröffentlichung einer unangemessenen Werbemaßnahme eigenverantwortlich korrigiert. Die Einhaltung wird konsequent durch den Deutschen Werberat überwacht, der als Selbstkontrollorgan der Werbewirtschaft tätig ist. Ist sich ein Unternehmen unsicher, ob eine Werbemaßnahme den gesetzlichen Regulierungen und den Verhaltensregeln des Werberats entspricht, hat es die Möglichkeit, die eigene Werbekampagne einer freiwilligen Vorprüfung durch den ZAW unterziehen zu lassen. Diese Vorprüfung unterstützt die Werbeverantwortlichen in den Unternehmen, die Verhaltensregeln über die kommerzielle Kommunikation konsequent einzuhalten. Dabei wird die entsprechende Werbemaßnahme von Experten hinsichtlich rechtlicher Vorschriften, der freiwilligen Verhaltensregeln sowie der gesellschaftlichen Akzeptanz geprüft. Bei Bedarf erhält das Unternehmen dann Korrekturempfehlungen.
In den Verhaltensregeln ist u. a. festgehalten, dass Alkoholwerbung nicht zu missbräuchlichem Alkoholkonsum auffordern und keine trinkenden Kinder, Jugendliche und Fahrzeugführende Personen zeigen soll. Auch der Verzicht auf alkoholhaltige Getränke sollte in der Werbung nicht abwertend dargestellt werden. Vor allem Kinder und Jugendliche werden durch die Verhaltensregeln geschützt: Mit dem Regelwerk soll verhindert werden, dass die Werbung für alkoholhaltige Getränke als Ansprache von Kindern und Jugendlichen missverstanden werden kann. So heißt es bspw. in Punkt 2.5: „Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll weder über Trikotwerbung bei Kinder- und Jugendmannschaften erfolgen, noch über Werbe- und Sponsoringmaßnahmen, die im direkten Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen stehen“. Darüber hinaus ist ausdrücklich geregelt, dass alle Personen, die in der Werbung für alkoholhaltige Getränke zu sehen sind, mindestens – auch optisch – junge Erwachsene sein müssen.
Die aufgestellten Verhaltensregeln werden regelmäßig an aktuelle Bedingungen angepasst und gelten bereits seit 2005 für sämtliche Formen der kommerziellen Kommunikation (Offline und Online). Im Jahr 2015 wurden Erläuterungen zu den Verhaltensregeln der Selbstkontrolleinrichtung für Alkoholwerbung veröffentlicht. Sie haben das Ziel, die Anwendung des bestehenden Kodex auch in Social-Media-Auftritten der Hersteller alkoholhaltiger Getränke sicherzustellen. Es wurde z.B. festgehalten, dass Hersteller eine Altersschranke nutzen sollen, um zu verhindern, dass Minderjährige Zugang zu den Inhalten in den Social-Media-Kanälen der Hersteller haben. Darüber hinaus müssen die Hersteller alkoholhaltiger Getränke weitere Regelwerke des Deutschen Werberats beachten wie beispielsweise die Verhaltensregeln gegen Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen.
Der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure e. V. (BSI) setzt auf eine wirksame und umfassende Selbstregulierung der Industrie und hat eigene Ergänzungen und Präzisierungen für die Mitgliedsunternehmen des BSI definiert: Alle Mitgliedsunternehmen des BSI verpflichten sich, kommerzielle Kommunikation ausschließlich in solchen Medien einzusetzen, die sich zu mindestens 70 % an volljährige Personen richten. Außerdem setzen die Mitgliedsunternehmen des BSI für ihre Werbemaßnahmen lediglich Models und Schauspieler ab einem Mindestalter von 25 Jahren ein, was in den jeweiligen Produktionen konsequent dokumentiert wird. Durch die freiwilligen Selbstregulierungen für die Wahl von Produktnamen und Fertigpackungen für Spirituosen und spirituosenhaltige Getränke wird seit August 2008 vom BSI sichergesellt, dass auch die Namensgebung, Gestaltung und die Form von Fertigpackungen u. a. nicht diskriminierend, beleidigend oder sexuell anzüglich sind und sich nicht gezielt an Minderjährige richten. Detaillierte Informationen finden Sie im BSI-Grundsatzpapier.
Wird eine veröffentlichte Werbemaßnahme dennoch als anstößig empfunden, haben Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren: „Beschwerden können direkt an den Deutschen Werberat gerichtet werden. Wir nehmen jede Beschwerde ernst. Sollte die kritisierte Werbung nicht den hohen Anforderungen und Regelungen entsprechen, wird diese beanstandet und falls nötig, öffentlich gerügt. Alle Verbraucherinnen und Verbraucher können somit einen Einfluss auf die Werbegestaltung haben“, so Julia Busse, Geschäftsführerin des Deutschen Werberats. Beschwerden können telefonisch, per Fax, per E-Mail (werberat@werberat.de), per Post oder mit dem Beschwerdeformular eingereicht werden. Anonyme Beschwerden werden nicht bearbeitet.
Folgende Angaben sind wichtig:
- Grund Ihrer Beschwerde; ggf. Hinweis auf die Ziffer im Kodex
- Die Art der Werbung (Plakat, TV-Spot, Online-Werbung etc.)
- Wenn möglich, kritisierte Werbung als Anhang (Foto) hinzufügen oder Angaben z. B. zu Zeitpunkt und Uhrzeit der Ausstrahlung machen. Bei Online-Werbung möglichst einen Screenshot beifügen.
- Generell gilt: Je genauer die Angaben, desto schneller kann die Beschwerde geprüft werden.
Eckpfeiler für ein verantwortungsvolles Marketing für Spirituosen und spirituosenhaltige Getränke:
- Gesetzliche Regulierungen wie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das Jugendschutzgesetz, den Rundfunk- sowie den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag
- Freiwillige Werbeselbstkontrolle der Wirtschaft : Verhaltensregeln, Kontrolle über deren Einhaltung (Deutscher Werberat), Angebot der Vorprüfung von Werbemaßnahmen (ZAW)
- Selbstregulierungen im Grundsatzpapier des BSI
- Verantwortungsbewusstsein auf der Seite der werbenden Unternehmen mit teilweise eigenen Kodizes
- Informierte Verbraucherinnen und Verbraucher, die mit den bestehenden Regeln vertraut sind und wissen, an wen sie sich mit ihrer Kritik wenden können