Gesellschaft

Alkohol in der Medizin – vom Franzbranntwein bis Retterspitz

Spirituosen haben nicht nur eine lange Tradition als Genussmittel, sie kommen auch seit Jahrhunderten in der Medizin zum Einsatz. Schon in der Antike (800 v. Chr. bis etwa 600 n. Chr.) nutzte man die Wirkungen alkoholhaltiger Getränke in der Medizin. Bis zur Entdeckung des Morphins, das 1806 erstmals von dem Apotheker Friedrich Wilhelm Sertürner aus Paderborn als Wirkstoff aus Opium gelöst wurde, waren Bier, Wein und Spirituosen fast die einzigen bekannten schmerzlindernden Mittel. Bereits der griechische Arzt Hippokrates (etwa 460 v. Chr. bis 370 v. Chr.) beschrieb Wein als Magenmittel und Gegengift und hob dessen schlaffördernde Wirkung hervor. 1167 gelang dem Alchemisten Magister Salernus die erste dokumentierte Destillation; die Geburtsstunde der Spirituosen. Mit der sich verbreitenden Technik der Destillation rückten auch andere medizinische Wirkungen des Alkohols in den Fokus. Zeitweise durfte Alkohol ausschließlich in Apotheken destilliert und verkauft werden. Alkoholhaltige Tinkturen und Lösungen wurden schließlich zum Einreiben, für Wickel oder Verbände eingesetzt. Einige Rezepturen haben die Zeit überdauert und kommen fast unverändert heute noch erfolgreich zur Anwendung.
 

Frau reibt Bein ein

Franzbranntwein, Retterspitz und Traumeel

Der Begriff Franzbranntwein bezeichnet ein freiverkäufliches Alkohol-Wasser-Gemisch, in dem Ethanol mit ätherischen Ölen wie Menthol, Campher oder Fichtennadel- und Latschenkieferöl gemischt wird. Das Präfix „Franz-“ geht auf das 17./18. Jahrhundert zurück und weist auf den geographischen Ursprung hin: Die Produktion von Branntweinen fand damals überwiegend in Frankreich statt. Den klassischen „Franzbranntwein“ erhält man als 38-50-prozentige Lösung, die bei Verspannungen, Muskelkater, Zerrungen und Prellungen äußerlich eingerieben oder als getränkter Umschlag angewendet wird. Franzbranntwein hat eine kühlende Wirkung, da der darin enthaltene Alkohol und die ätherischen Öle flüchtig sind. Sie verdunsten auf der Haut schnell und sorgen so für Verdunstungskälte. Zusätzlich wirken einige der enthaltenen ätherischen Öle wie z. B. Campher durchblutungsfördernd. 

Retterspitz geht auf eine aus dem 19. Jahrhundert überlieferte Rezeptur zurück. Namensgeberin des Produktes war Margarete Retterspitz, die das Heilwasser ab 1895 zusammen mit ihrem Mann Friedrich Retterspitz in Würzburg produzierte. Die Rezeptur ließen sie sich 1901 unter dem Namen ,,Retterspitz-Universal-Heilwickel-Bäder“ patentieren. Auch dieses freiverkäufliche Heilmittel, das eine Mixtur aus verschiedenen ätherischen Ölen auf Ethanolbasis darstellt, hilft äußerlich aufgetragen bei stumpfen Verletzungen, bei Prellungen und zusätzlich auch bei entzündlichen Beschwerden. Der Apotheker Hans Scheck erwarb das Patent im Jahre 1902, nachdem er in einem Selbstversuch Retterspitz erfolgreich gegen seine Magenbeschwerden einsetzte. 1920 begann er daraufhin die Produktion des Magenmittels ,,Retterspitz Innerlich“, das 2 % vol. Alkohol enthält. Im Gegensatz zu Franzbranntwein, der aufgrund seiner austrocknenden Nebenwirkung nicht mit Schleimhäuten in Berührung kommen sollte, kann man „Retterspitz Innerlich“ auch oral anwenden. Bis heute befindet sich die Firma Retterspitz in Familienbesitz. 

Ein weiteres Beispiel aus der jüngeren Geschichte ist das 1958 von Dr. Hans-Heinrich Reckeweg entwickelte apothekenpflichtige Arzneimittel Traumeel. In Traumeel sind neben Ethanol die Wirkstoffe der Pflanzen Arnika, Beinwell, Ringelblume, Echinacea, Kamille und sieben weiteren Pflanzen kombiniert. Das schmerzlindernde Mittel ist erhältlich in Flüssig-, Creme- und Tablettenform. Traumeel-Tropfen enthalten 35 % vol. Alkohol und die Creme 15 %. Ähnlich wie Franzbranntwein und Retterspitz wird das Mittel bei Verstauchungen, Prellungen und Hämatomen, aber auch bei Gelenksentzündungen sowie Arthrose angewendet. Die Wirkstoffe hemmen durch Auftragen oder Einnahme entzündungsfördernde Botenstoffe und stimulieren gleichzeitig entzündungshemmende Botenstoffe.

All diese traditionellen Heilmittel haben eines gemeinsam: Sie nutzen hochprozentigen Alkohol als Lösungsmittel und Basis für andere Wirkstoffe. Die Besonderheit des Ethanols liegt zum einen darin, dass es nicht allergen wirkt und zum anderen, dass es sowohl lipophile (fettliebende) als auch hydrophile (wasserliebende) Stoffe löst, die sich eigentlich nur in Öl bzw. Wasser lösen lassen. Ethanol wird also eingesetzt zur Lösung von Wirk- und Hilfsstoffen, als Extraktionsmittel, das ätherische Öle aus Kräutern und Pflanzenteilen löst, als Desinfektionsmittel und als Konservierungsmittel, um die Haltbarkeit zu verlängern.

Fazit

Früher war Alkohol fester Bestandteil der Ernährung, u.a., weil man sich durch dessen Verzehr heilende Wirkungen versprach. Viele dem Alkoholkonsum zugeschriebenen medizinischen Wirkungen aus der Vergangenheit sind heute widerlegt. Aber einige Rezepturen haben die Jahrhunderte überlebt und finden noch heute erfolgreich Anwendung. Beachten Sie bei der Anwendung immer den Beipackzettel und die Angaben des Herstellers!

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Alkoholhaltige Getränke erfordern ein hohes Maß an Verantwortung beim Hersteller oder Importeur alkoholhaltiger Getränke - im Vertrieb, Marketing und in der Werbung.

Verantwortliches Handeln beinhaltet auch sinnvolle, nachvollziehbare und effektive Selbstregulierungen, die über gesetzliche Regulierungen hinausgehen. So hat sich die Branche der Hersteller und Importeure von alkoholhaltigen Getränken zahlreiche freiwillige Regeln auferlegt, um missbräuchlichem Konsum vorzubeugen:

Darüber hinaus unterstützen verschiedene Präventionsinitiativen des „Arbeitskreises Alkohol und Verantwortung“ des BSI das Ziel, den Jugendschutz konsequent einzuhalten und einem missbräuchlichen Konsum in bestimmten Situationen (Schwangerschaft, Verkehr, Arbeitsplatz) vorzubeugen.

Arbeitskreis Alkohol und Verantwortung
Prävention
Arbeitskreis Alkohol und Verantwortung

Alkoholhaltige Getränke erfordern von Herstellern oder Importeuren genauso wie von Konsument/innen ein hohes Maß an Verantwortung.

Neben Maßnahmen der Selbstregulierung im Vertrieb, im Marketing und in der Werbung setzen der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure e. V. (BSI) und seine Mitgliedsunternehmen auf gezielte Präventions- und Aufklärungsinitiativen, die der „Arbeitskreis Alkohol und Verantwortung“ als Social Aspects Gremium der Branche mit unabhängigen Experten entwickelt und kontinuierlich fortführt. Alle Initiativen haben das Ziel, dem missbräuchlichen Konsum vorzubeugen. Verzicht auf alkoholhaltige Getränke ist insbesondere in den sogenannten Punktnüchternheitssituationen angezeigt.

Die einzelnen Präventionsinitiativen des „Arbeitskreises Alkohol und Verantwortung“ sind:

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Viele Menschen verbringen ihre Freizeit gerne sehr aktiv. Sie gehen auf Reisen, treiben Sport, bewegen sich gerne in der Natur, gehen ihren Hobbys nach oder sind gerne gesellig beisammen bei den unterschiedlichsten jahreszeitlichen Anlässen. Zum Freizeitverhalten gehören selbstverständlich auch Essen und Trinken dazu. Doch wie kann man einen gesundheitsverträglichen und verantwortungsbewussten Konsum alkoholhaltiger Getränke mit den vielfältigen Freizeitmöglichkeiten verbinden und wo ist vielleicht besser Verzicht angesagt?

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Der „Arbeitskreis Alkohol und Verantwortung“ beschäftigt sich als Gremium des BSI mit allen „nicht kommerziellen“ Aufgabenstellungen. Diesen Aktivitäten liegt die Überzeugung zugrunde, dass die Unternehmen der Branche eine aktive Mitverantwortung dafür tragen, dass die Verbraucher mit den Produkten sachgemäß und gesundheitsverträglich umgehen.

Zu den Aktivitäten des „Arbeitskreises Alkohol und Verantwortung“ gehören Präventions-, Aufklärungs- und Informationsmaßnahmen (wie z. B. diese Website) sowie die effektive Selbstregulierung der Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure e. V.

Indirekt unterstützen alle Mitgliedsunternehmen des BSI den „Arbeitskreis Alkohol und Verantwortung“, dessen Arbeit von einer Vielzahl neutraler Wissenschaftler und Experten begleitet wird. Dieser setzt sich aus Medizinern, Psychologen und Pädagogen zusammen, welche die Inhalte der Aktivitäten unabhängig prüfen und mitgestalten.