Ob im Bus oder in der Bahn, auf der Arbeit oder in der Stadt, überall sind wir Viren und Bakterien ausgesetzt. Durch warme Heizungsluft oder durch die Klimaanlage trocknen zudem die Schleimhäute in den Atemwegen aus, werden rissig und bieten somit eine leichte „Eintrittspforte“ für Krankheitserreger. Doch zum Glück gibt es das Immunsystem: Sobald uns Viren und fremde Bakterien befallen, aktiviert es die Abwehrkräfte und die weißen Blutkörperchen beginnen damit, die Eindringlinge zu bekämpfen. Dabei schütten sie Botenstoffe aus, die weitere Immunzellen aktivieren. Alkohol kann diesen Mechanismus stören, denn er unterdrückt die Funktion der weißen Blutkörperchen, der körpereigenen „Abwehrpolizei“.
Alkohol hat eine dämpfende Wirkung auf das Immunsystem. Die weißen Blutkörperchen, insbesondere die sogenannten Fresszellen, die an vorderster Front der Krankheitsbekämpfung stehen, werden durch den Alkohol im Blut „gelähmt“. Dies wirkt sich auch nachteilig auf die Produktion der körpereigenen Botenstoffe aus. So wird auch die Produktion des Botenstoffes Interferon gebremst, der im Fall einer drohenden Infektion das Signal „zum Angriff“ gibt und somit das Immunsystem aktiviert. Fehlt der Botenstoff oder wird weniger davon ausgeschüttet, können Viren und Bakterien nicht mehr so gut bekämpft werden. Darüber hinaus scheidet der Körper durch den Konsum alkoholhaltiger Getränke vermehrt Vitamin C, Kalium und Phosphat aus.
Das Immunsystem wird durch den Konsum größerer Mengen alkoholhaltiger Getränke geschwächt und der Körper ist anfälliger für Infekte. „Dies gilt jedoch insbesondere bei übermäßigem Alkoholkonsum ab ca. 2-3 Drinks pro Tag“, erklärt Prof. Dr. Reinhold Schmidt, Direktor der Klinischen Immunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Und fügt hinzu: „In der nasskalten Zeit sollte man besonders auf sich achten. Alkohol dämpft nicht nur das Immunsystem. Er stört auch das Temperaturempfinden und lässt uns die Kälte weniger spüren, sodass man sich leichter erkälten kann.“
Läuft die Nase und kratzt der Hals, greift manch einer gerne auf „altbewährte“, aber keineswegs bewiesene Hausmittel wie warmes Bier oder Grog zurück: Nach eigener Angabe versuchen immerhin 16,7 Prozent der Männer und 6,9 Prozent der Frauen mithilfe von Alkohol Erkältungssymptome zu bekämpfen. Besonders beliebt ist Alkohol als Medizin übrigens bei Männern in den Sechzigern: Hier ist er für 26,7 Prozent ein vermeintliches Therapeutikum im Erkältungsfall. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag der „Apotheken Umschau“, die insgesamt 1.046 Frauen und 1.005 Männer ab 14 Jahren befragte.
Doch ist Alkohol wirklich ein probates Mittel gegen Schnupfen, Husten und Heiserkeit? „Nein“, sagt Prof. Dr. Erika Baum, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin: „Bei ersten Anzeichen einer Erkältung wie Kratzen im Hals sollten Sie es bei maximal einem Drink belassen. Oder besser noch: Sie verzichten vorrübergehend auf alkoholhaltige Getränke. Hat die Erkältung Sie bereits erwischt, sollten Sie erst recht ganz auf alkoholhaltige Getränke verzichten. Denn das bereits geschwächte Immunsystem wird durch den Alkohol zusätzlich belastet. Vor allem die Leber wird strapaziert, die sowohl für den Abbau des Alkohols als auch für die Bildung von Abwehrstoffen zuständig ist. Konsumiert man größere Mengen an alkoholhaltigen Getränken, dauert die Erkältung oftmals nicht nur länger an, sondern es drohen auch Komplikationen wie bakterielle Superinfektionen, etwa eine Mandel- oder Nasennebenhöhlenentzündung.“ Bei Infekten mit Fieber ist Alkohol generell tabu. Er weitet die Gefäße und senkt den bei Fieber ohnehin schon niedrigeren Blutdruck, was zu Kreislaufproblemen führen kann. „Eigentlich brauchen wir nur auf unseren Körper zu hören“, betont Prof. Dr. Baum. „Wenn die Nase zu ist, schmecken wir doch kaum noch was und können keine Feinheiten mehr wahrnehmen. In der Regel haben wir dann auch weniger Lust auf alkoholhaltige Getränke. Ich trinke bei einer Erkältung am liebsten Tee, denn die Wärme tut gut.“
Alkohol kann aber doch helfen
Beim Kampf gegen Viren und Bakterien außerhalb des Körpers – also bei der Desinfektion – ist die Bedeutung von Alkohol (Ethanol) unstrittig. Im Jahr 1888 wurde Ethanol erstmals als Mittel zur antiseptischen Behandlung der Hände in der Fachliteratur erwähnt und wird seither als Bestandteil in Desinfektionsmitteln eingesetzt. Je nach Alkoholkonzentration und der spezifischen Zusammensetzung sind Desinfektionsmittel gegen verschiedene Erregergruppen wie Bakterien, Pilze oder Viren wirksam. Hinweise auf den Etiketten der Desinfektionsmittel – wie „bakterizid“ (für den Einsatz gegen Bakterien), „fungizid“ (für den Einsatz gegen Pilze) oder „viruzid“ (für den Einsatz gegen Viren) – geben Auskunft darüber, für welche Art der Desinfektion diese geeignet sind.
Die wichtigsten Tipps, wie Sie gesund bleiben, haben wir hier für Sie zusammengestellt:
- Genießen Sie alkoholhaltige Getränke nur in Maßen, denn im Übermaß kann Alkohol das Immunsystem schwächen und die Anfälligkeit für Infekte erhöhen.
- Wenn Sie ein Kratzen im Hals spüren, halten Sie sich lieber einige Tage mit alkoholhaltigen Getränken zurück. So wird das Immunsystem nicht zusätzlich durch den Alkohol geschwächt und kann sich ganz auf die Abwehr der Krankheitserreger konzentrieren.
- Bei einer Erkältung sollten Sie ganz auf alkoholhaltige Getränke verzichten, da diese dem Körper Flüssigkeit entziehen. Trinken Sie stattdessen lieber Wasser, Tee oder Saftschorlen, denn feuchte Schleimhäute können sich besser gegen Viren und Bakterien wehren.
- Um das Abwehrsystem zu stärken, sollten Sie auf eine vitamin- und mineralstoffreiche Ernährung in Form von Obst, Gemüse oder Vollkornprodukten setzen, ausreichend schlafen und sich an der frischen Luft bewegen. Regelmäßige Bewegung fördert die Durchblutung. Dadurch zirkulieren die Abwehrzellen durch den gesamten Organismus und gelangen vermehrt in die Schleimhäute, um uns vor Krankheitserregern zu schützen.
- Bewegen Sie sich regelmäßig! Sport stärkt das Immunsystem und beugt einer Erkältung vor. Sie müssen dafür nicht einmal ins Fitnessstudio fahren – Sport kann man auch ganz alleine im Wohnzimmer machen. Einfach eine Fitness-oder Yoga-App auf Ihr Handy laden und sofort loslegen.
- Wenn grippale oder virale Infekte im Umlauf sind, sollten Sie auf eine ausreichende Handhygiene achten. Wenn Sie von draußen kommen, z. B. Türklinken, Zahlungsterminals oder Aufzugknöpfe angefasst haben, sollten Sie sich ausgiebig und mindestens 20 Sekunden die Hände waschen oder auch ein Handdesinfektionsmittel benutzen.
Quelle:
Verbund für Angewandte Hygiene e.V. et al. (Hrsg.). Ethanol ist als biozider Wirkstoff zur hygienischen Händedesinfektion unverzichtbar. Vorabveröffentlichung online www.vah-online.de, 20. Oktober 2020. HygMed 2020; 45(11) im Druck.