Anstoßen, zuprosten - woher kommen unsere Trinkrituale?
Man trifft sich mit Freunden oder in der Familie zum gemütlichen Familienessen, und die Gläser sind mit Spirituosen, Bier, Wein oder Sekt gefüllt. Nach einem lautstarkem „Prost“ stoßen alle mit ihren Gläsern an. Dabei achten alle darauf, dem Gegenüber tief in die Augen zu blicken und nicht über Kreuz anzustoßen. Wir alle kennen solche Rituale, aber woher kommen diese Bräuche und was bedeuten sie eigentlich?
Trinkkulturen im Wandel der Zeit
Schon in der Antike hatte das Trinken in Gesellschaft eine wichtige Bedeutung. So galt der Alkoholgenuss im abendländischen Kulturraum als Mittel, um soziale Bindungen zu schaffen oder zu festigen sowie um gesellschaftliche und geschlechterspezifische Hierarchien zu untermauern. Verbreitet war daher die Vorstellung, dass durch das Trinken aus demselben Gefäß feste Bindungen geknüpft werden und eine „Bruderschaft“ entsteht. Im Verständnis der Antike nannte man dies auch „Vertragstrunk“. Bis in die Frühe Neuzeit wurde das Abschließen von Verträgen mit dem Trinken von Wein oder Bier besiegelt, was auch als „Wein- oder Leikauf“ bezeichnet wurde. Besonders wichtig war das gemeinschaftliche Trinken auch in Handwerks- und Zunftvereinigungen. In den rein männlichen Gesellschaften der Frühen Neuzeit (15. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts) galt das Trinken als gemeinschaftsstiftendes Ritual und männliches Identifikationsmerkmal. Eine etwas andere Bedeutung kam dem Genuss von Alkohol im Kreis der Familie und der Ehe zu. Demnach sollte das gemeinschaftliche Trinken von Wein im häuslichen Umfeld die ehelichen Beziehungen stärken sowie die Ehe mit Fruchtbarkeit und guter Zusammenarbeit segnen. Aus dem heutigen aufgeklärten Rollenverständnis heraus betrachtet, mögen diese Vorstellungen fremd wirken, aber sie prägten über Jahrhunderte den Umgang mit alkoholhaltigen Getränken in der Gesellschaft. Einzelne Trinkrituale haben bis heute überlebt. Sie sind seit Jahrhunderten ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen und sozialen Lebens, egal ob bei Vertragsabschlüssen oder als gemeinschaftsstiftende Rituale.
Anstoßen und dabei den Blickkontakt nicht vergessen!
Eines der wohl bekanntesten Rituale beim Genuss von Alkohol in Gesellschaft stellt das „Anstoßen“ der Gläser dar. Alle anwesenden Personen erheben ihre Gläser und lassen sie in der Mitte aneinanderstoßen, sodass ein lautes Klirren zu hören ist. Zurückgeführt wird dieses Ritual oftmals auf einen mittelalterlichen Brauch, der nicht eindeutig belegbar ist: Aus Angst, bei einem Trinkgelage einem Giftangriff zum Opfer zu fallen, stieß man die Trinkgefäße so fest aneinander, damit die Getränke von einem Glas zum anderen überschwappten und sich vermischten. So konnte man sichergehen, dass kein vergiftetes Getränk gereicht wurde. Tatsächlich war besonders die Zeit zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert geprägt von Giftanschlägen auf die verschiedensten Persönlichkeiten. Diese Erklärung für das Anstoßen konnte jedoch historisch nicht sicher belegt werden. Andere „Sicherheitsvorkehrungen“ wie das Wegschließen des Trinkgeschirrs in einem Tresor oder die Beschäftigung eines Vorkosters sind historisch belegt. Der Aberglaube spielte bei der Entstehung vieler Rituale eine große Rolle: Das Klirren der Gläser sollte z. B. böse Geister vertreiben. Ebenfalls dem Aberglauben entsprungen ist das Ritual, seinem Gegenüber beim Anstoßen tief in die Augen zu blicken und die Arme dabei nicht kreuzen zu lassen. Bei einem Verstoß gegen eine dieser Regeln, standen dem trauten Heim sieben Jahre Unglück bevor, so der Aberglaube.
„Ein Prosit der Gemütlichkeit“
Das Wort „Prosit“ stammt aus der lateinischen Sprache und bedeutet übersetzt „es möge nützen“. Neben dem Anstoßen gehört das Zuprosten ebenfalls zum festen Bestandteil der heute noch gängigen Anstoßetikette. Es darf auch ein längerer Trinkspruch sein oder ein Lied angestimmt werden. Bei dem Ausspruch „Prosit!“ oder „Prost!“ handelt es sich um eine Wunschformel, die in der Studentensprache ihren Ursprung hat. Spätestens seit dem 18. Jahrhundert war diese Wunschformel weit verbreitet und bildete eine feste Komponente des sognannten „Doktorschmauses“. Urkundlich schon seit dem 15. Jahrhundert festgehalten, war es fester Bestandteil einer Prüfung, seinen Dozenten Wein und Konfekt mitzubringen. Vor dem Beginn der Prüfung wünschten die Dozenten ihren Studenten ein „Prosit“, hoben ihre Gläser und tranken den Wein während der Prüfungszeit. Ebenso üblich war in studentischen Kreisen das „Bruderschaftstrinken“. Dabei wird der eigene Ellbogen beim Gegenüber untergeharkt und gleichzeitig das Glas geleert. Dieses Ritual symbolisierte den Übergang vom Siezen zum Duzen. Heute wird so zumeist auf die Freundschaft getrunken.
Auch wenn es zum Teil keine eindeutigen historischen Belege für die Ursprünge der Rituale gibt, haben doch viele über die Jahrhunderte bis heute überlebt. Bei einigen ist der ursprüngliche Sinn verloren gegangen, oder die Bedeutung ist nicht mehr präsent. Trotzdem stärken sie das Gemeinschaftsgefühl in geselliger Runde - egal, ob mit Spirituosen, Bier, Wein oder auch mit Sekt angestoßen oder zugeprostet wird.