Über die Popularität von Energy-Drinks besteht kein Zweifel, wie das Marktforschungsunternehmen Mintel 2016 in einer Studie belegte: Der weltweite Absatz von Energy-Getränken stieg 2016 auf einen Höchststand von 8,8 Milliarden Liter. Deutschland galt dabei als Spitzenreiter, wenn es um die meisten Produkteinführungen ging. Auch Mischgetränke mit Energy-Drinks und Spirituosen sind noch immer beliebt
Energy-Drinks sollen, wie der Name schon suggeriert, durch die aufputschende Wirkung von Koffein die Konzentrations- und Leitungsfähigkeit steigern. Gesunde Erwachsene können laut Bundesinstitut für Risikobewertung unbedenklich bis zu 200 mg Koffein als Einzeldosis zu sich nehmen – das entspricht ca. 2,5 Dosen eines Energy-Drinks (1 Dose à 250 ml = 80 mg Koffein). Über den Tag verteilt gelten sogar bis zu 400 mg Koffein als ungefährlich.1
Besonders die Mischung aus Energy-Drinks mit Spirituosen, meist Wodka, ist ein beliebtes Party-Getränk. Das Bundesinstitut für Risikobewertung betont, dass ein Blutalkoholspiegel bis 0,8 Promille verbunden mit dem Konsum von Koffein-Einzeldosen bis zu 200 mg in kurzer Zeit unbedenklich ist. Oftmals werden die Mixgetränke am Abend in Bars und Diskotheken konsumiert, um der Müdigkeit entgegenzuwirken und länger feiern zu können. Tatsächlich aber überlagert der stimulierende Effekt der Energy-Drinks die beruhigende, dämpfende Wirkung alkoholhaltiger Getränke. Subjektiv wird die Wirkung von alkoholhaltigen Getränken dadurch weniger stark wahrgenommen. Auch Müdigkeit und Erschöpfung, die normalerweise mit zunehmendem Konsum alkoholhaltiger Getränke und zu späterer Stunde einsetzen, werden weniger stark empfunden. Man fühlt sich fitter und nüchterner als man tatsächlich ist. Das führt dann unter Umständen zu einer Überschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit, und die Grenzen des Körpers werden überschritten.
Experten und Studien bestätigen, dass die Mischung von Energy-Drinks und alkoholhaltigen Getränken einige Risiken in sich birgt.
In einer Studie aus dem Jahr 20012 wurde festgestellt, dass Personen ihre Reaktionsfähigkeit nach dem Konsum alkoholhaltiger Energy-Mixgetränke nicht mehr realistisch einschätzen können. Zwar fühlten sich die Probanden fitter und wacher als diejenigen, die alkoholhaltige Getränke ohne Energy-Drinks getrunken hatten, sie erzielten jedoch keine besseren Ergebnisse bei motorischen Tests und Sehtests. Konzentration und Reaktionsfähigkeit waren aufgrund der alkoholhaltigen Getränke auch bei ihnen deutlich eingeschränkt. Ließ die aufputschende Wirkung der Energy-Drinks nach, wurde die Wirkung der alkoholhaltigen Getränke schlagartig spürbar.
Eine weitere Studie der Universität Florida aus dem Jahr 2008 belegt, dass die Bereitschaft, unter Alkoholeinfluss noch zu fahren, bei Personen, die zuvor Spirituosen mit Energy-Drinks getrunken haben, wahrscheinlicher war, als bei Personen, die nur alkoholhaltige Getränke ohne Mischung mit Energy-Drinks getrunken hatten. Die Ursache hierfür sehen die Forscher in dem subjektiv empfundenen Wachheitsgefühl, welches durch die Mischung alkoholhaltiger Getränke mit Energy-Drinks hervorgerufen wird. Die Wissenschaftler befragten 800 Studenten nachts in einem Kneipenviertel3 zu ihren Trinkgewohnheiten und ihrer Absicht, noch Auto zu fahren. Das Ergebnis: Konsumenten von Spirituosen, gemixt mit Energy-Drinks, gaben viermal häufiger an, noch Auto fahren zu wollen, als diejenigen, die alkoholhaltige Getränke ohne Energy-Drinks getrunken hatten. Die anschließenden Promille-Tests zeigten jedoch, dass ein Großteil von ihnen nicht mehr fahrtüchtig war. Sie hatten ihre Leistungsfähigkeit überschätzt.
Allgemeinmediziner und Kardiologen erklären die Wirkung der Mischgetränke so: Durch den Konsum alkoholhaltiger Getränke weiten sich die Gefäße und der Blutdruck sinkt. Das hochdosierte Koffein, das in Energy-Drinks enthalten ist, wirkt jedoch genau gegensätzlich. Es lässt das Herz schneller schlagen, der Blutdruck steigt. Diese gegensätzlichen Wirkungen setzen das Herz-Kreislauf-System einer großen Belastung aus. „Es ist so, als würde man beim Autofahren Bremsen und Gasgeben zugleich. Und jeder weiß, dass kann nicht lange gut gehen“, so Dr. Barbara Richartz, Leiterin des Zentrums für ambulante Kardiologie in München-Bogenhausen. Sie kennt die Hintergründe: „Nach Stunden des angestrengten Feierns tritt oft ein Tiefpunkt mit einer gewissen Müdigkeit ein. Da der Abend noch nicht vorbei sein soll, muss die Müdigkeit konsequent bekämpft werden. Die Lösung: Ein Energy-Drink muss her!“ Doch das subjektive Wachheitsgefühl nach dem Konsum von alkoholhaltigen Getränken gemischt mit Energy-Drinks ist trügerisch! Gerade für aufeinanderfolgende Partynächte, z. B. im Party-Urlaub oder an Fasching gilt: Alkoholhaltige Mixgetränke mit Energy-Drink als Wachmacher sind kein Ersatz für Ruhephasen und Schlaf! Denn die eigenen Kräfte können schnell überschätzt werden, betont Dr. Barbara Richartz: „Wenn man Alkohol in Kombination mit Energie-Drinks konsumiert, wird man in ganz besonderem Maße euphorisch. Die gesteigerte Euphorie führt dazu, dass Trinkende die körperliche Beeinträchtigung nicht mehr richtig wahrnehmen. Anders formuliert: Der Betrunkene wähnt sich noch bei voller Fitness, obwohl genau das Gegenteil der Fall ist.“
Hier einige Tipps zum Umgang mit alkoholhaltigen Energy-Mixgetränken:
- Genießen Sie alkoholhaltige Energy-Mixgetränke nur in Maßen. Bestellen Sie sich öfter auch mal ein Glas Wasser oder einen anderen Softdrink, denn Koffein und Alkohol entziehen dem Körper Flüssigkeit (Dehydration), was zu Kopfschmerzen führen kann.
- Personen, die Herzprobleme haben, Medikamente nehmen oder koffeinempfindlich sind, sollten von dem Genuss alkoholhaltiger Energy-Mixgetränke absehen. Auch für Diabetiker sind die stark zuckerhaltigen Mixgetränke nicht uneingeschränkt geeignet.
- Auch wenn es keine Altersgrenzen für Energy-Drinks gibt, ist der Konsum von Energy-Drinks zusammen mit Spirituosen laut Jugendschutzgesetz ausschließlich Erwachsenen vorbehalten.
- Machen Sie sich bewusst, dass die Wirkung des Blutalkohols – zumindest zeitweilig – durch die aufputschende Wirkung der koffeinhaltigen Energy-Drinks überlagert wird und Sie eventuell mehr konsumieren und länger in der Bar oder Diskothek verweilen als ohne diese Getränke. Legen Sie daher bewusst Trinkpausen ein.
- Durch den Mix von Spirituosen und Energy-Drinks lassen sich die Blutalkoholkonzentration und die damit verbundenen Einschränkungen subjektiv nicht realistisch einschätzen und es besteht die Gefahr, die eigenen Kräfte und Fähigkeiten (insbesondere die Fahrtüchtigkeit) zu überschätzen. Grundsätzlich gilt: Wer fährt, bleibt nüchtern – egal wie wach man sich fühlt!
- Gerade in der Sommerzeit, in der die Hitze den Kreislauf zusätzlich belastet, sollten Sie auf einen maßvollen Genuss der alkoholhaltigen Energy-Mixgetränke achten, wie der Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK) empfiehlt. Trinken Sie bei körperlichen Aktivitäten, etwa stundenlangem Tanzen in der Disko, immer ausreichend Wasser, um Kreislaufproblemen vorzubeugen.
Kardiologe warnt vor der gefäßverengenden Wirkung von Energy-Drinks
Nach neuesten Ergebnissen einer Studie der University of Texas Health Science Center in Houston unter der Leitung von Professor John Higgins verändern Energy-Drinks die normale Funktion der Blutgefäße. Im Rahmen der Studie tranken 44 gesunde Studenten 700 ml eines Energy-Getränks. Vor und nach dem Konsum wurde bei ihnen die prozentuale Veränderung des Gefäßdurchmessers gemessen. Dafür wurde die Durchblutung mittels einer Druckmanschette gestoppt, um anschließend das Verhalten der Arterien zu untersuchen. Es zeigte sich, dass sich die Arterien der Energy-Drink-Konsumenten nach dem Lösen der Blutdruckmanschette nicht mehr in dem gleichen Maße weiteten wie bei den Nicht-Konsumenten. Higgins konnte jedoch nicht abschließend klären, welche Substanzen diese Veränderung der Blutgefäße genau verursachen. Vermutlich liegt die Ursache in der Kombination aus Koffein, Taurin, Zucker und verschiedenen Kräutern.4
Higgins mahnt daher zur Vorsicht im Umgang mit Energy-Getränken, da sie eine Vielzahl von Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System haben: „Diese akuten Veränderungen des Herz-Kreislauf-Systems sind nicht nur für Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern auch bei jungen Menschen mit Komplikationen verbunden. Denn aufgrund gefährlicher Konsumgewohnheiten, einschließlich häufiger und starker Beanspruchung, haben diese jungen Konsumenten ein besonders hohes Risiko für Komplikationen. Was die chronischen kardiovaskulären Konsequenzen anbelangt, ist weitere Forschung erforderlich. Angesichts der zunehmenden Zahl von Notaufnahmen in Folge von Komplikationen durch den Verzehr von Energy-Drinks und der mit der Nutzung in Verbindung stehenden mehrfachen Todesfälle, ist eine verstärkte Forschung zur Ermittlung möglicher Schadensmechanismen absolut notwendig.“5 (sinngemäße Übersetzung der Redaktion)6
Quellen:
1 Bundesinstitut für Risikobewertung, Fragen und Antworten zu Koffein und koffeinhaltigen Lebensmitteln, einschließlich Energy-Drinks (2015).
2 Liguori, A/ Robinson, Jh., Caffeine antagonism of alcohol-induced driving impairment. Drug Alcohol Depend 2001:63:123-9.
3 Die Befragungen wurden im April 2008 in vier aufeinanderfolgenden Tagen von Mittwoch-Samstag in sieben Bars in Gainesville, Florida, jeweils zwischen 22-3 Uhr durchgeführt.
4 Das Deutsche Ärzteblatt der Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/98951/Studie-Bereits-ein-Energydrink-verschlechtert-Gefaessfunktion.
5 MDPI (Herausgeber von wissenschaftlichen Open-Access Fachzeitschriften): „Cardiovascular Complications of Energy Drinks“, https://www.mdpi.com/2306-5710/1/2/104.
6 Original Zitat:
„With respect to the cardiovascular system, consumption of EDs is associated with increased demand of the heart via increased sympathetic tone, blood pressure, inotropy, and arrhythmias. There also may be concurrently reduced coronary artery blood supply via endothelial dysfunction, platelet aggregation, coronary thrombosis, and coronary spasm. Acutely, these changes to the cardiovascular system are associated with complications not only patients with underlying cardiovascular conditions but also in young people. These young consumers are at a particularly high risk of complications due to hazardous consumption patterns including frequent and heavy use. While the acute cardiovascular consequences of consuming EDs have been described, chronic cardiovascular consequences are less clear and more research is needed. Given the rise of emergency room visits for complications of ED consumption and also multiple reported deaths correlated with use, increased research to identify possible mechanisms of harm is absolutely necessary.”