Laut ADFC-Travelbike-Radanalyse 2018 fahren 76 % der Deutschen Rad. Die Ferienzeit lädt besonders viele dazu ein, sich auf ihr Gefährt zu schwingen – 99 Millionen Ausflüge finden dabei auf dem Zweirad statt. Immer wichtiger werden auch Miet-, Elektrofahrräder und E-Scooter. Durch den Anstieg des Tages- und Kurzzeittourismus, nutzen 40 % der Tagesreisenden Mieträder – ganze 50 % davon Elektrofahrräder.1 Seit dem 15. Juni 2019 dürfen in Deutschland E-Scooter im öffentlichen Raum gefahren werden und erfreuen sich seither größter Beliebtheit. Vor allem in Großstädten locken verschiedene Anbieter mit E-Scooter-Sharing: Per App können die E-Scooter für kleines Geld innerhalb der Stadt ausgeliehen werden.
Beim Zwischenstopp im Biergarten gehört für viele Radfahrer, E-Bikefahrer oder E-Scooter-Fahrer ein Radler oder ein anderes alkoholhaltiges Getränk dazu, bevor sie sich wieder auf den Sattel oder aufs Trittbrett schwingen. Wer dabei das „richtige Maß“ verpasst, riskiert sogar den PKW-Führerschein. Dass es unterschiedliche Regelungen bei den Zweirädern gibt, wissen nur die wenigsten.
Statistisch gesehen sind Radfahrer – nach den PKW-Fahrern – am häufigsten an Alkoholunfällen beteiligt. Für E-Scooter gibt es noch keine bundesweiten Statistiken mit Unfallbeteiligungen. Im Jahr 2017 ereigneten sich in Deutschland insgesamt 13.463 Unfälle mit Personenschaden, bei denen Alkohol die Unfallursache war. 26,6 % der alkoholisierten Unfallbeteiligten waren Fahrradfahrer, 8,8 % Fahrer von motorisierten Krafträdern.2 "Promillegrenzen gibt es ja nur für die Autofahrer“ denken viele und ahnen nicht, dass auch der PKW-Führerschein in Gefahr sein kann, wenn man mit Alkohol im Sattel oder auf dem E-Scooter am Straßenverkehr teilnimmt. Wie stellt sich die Rechtslage für Radfahrer und E-Scooter-Fahrer dar?
Fahrrad, Kraftfahrzeug oder Elektrokleinstfahrzeug?
Auf den ersten Blick sind die verschiedenen Fahrradtypen schwer zu unterscheiden: normales Fahrrad, E-Bike oder Pedelec (Pedal Electric Cycle). Seit kurzem erfreuen sich auch die E-Scooter besonderer Beliebtheit. Verschiedene professionelle E-Scooter-Verleiher sind innerhalb kürzester Zeit zum festen Bestandteil des Stadtbilds avanciert. Doch die Vorschriften und Strafen für E-Scooter-, Fahrrad-, E-Bike- und Pedelec-Fahrer sind unterschiedlich, je nachdem, ob das Gefährt als „Fahrrad“, „Kraftfahrzeug“ oder als „Elektrokleinstfahrzeug“ eingestuft wird. Was gilt es also zu beachten?
Den Unterschied bei den Zweirädern machen die Antriebsart, die Leistung des Antriebs und die Geschwindigkeitsgrenzen aus: Während Pedelecs nur eine „Trethilfe“ darstellen, also den Fahrer nur unterstützen, solange dieser in die Pedale tritt, funktioniert der Antrieb der E-Bikes auch ohne Treten der Pedalen, mittels Drehknopf oder Schalthebel und ähnelt vielmehr einem Mofa.
Pedelecs können rechtlich entweder den Status „Fahrrad“ oder „Kraftfahrzeug“ haben. Solange die Pedelec-Trethilfe-Unterstützung unter 250 Watt liegt und bei 25 km/h endet, gilt dieses verkehrsrechtlich als „Fahrrad“. Dementsprechend benötigen die Fahrer weder Führerschein noch Zulassung. Sie dürfen auf Fahrradwegen fahren und Fahrradanhänger mit sich führen. Alles, was darüber hinaus geht, wie bei so genannten S-Pedelecs, wird rechtlich als „Kleinkraftrad“ eingestuft.
Auch bei E-Bikes gibt es Differenzierungen: Sie können den Status „Leichtmofa“ oder „Mofa“ haben, solange sie die 20 km/h beziehungsweise 25 km/h-Grenze nicht überschreiten, wobei beide eine Mofa-Prüfbescheinigung. Ausgenommen hiervon sind Personen, die vor dem 1. April 1965 geboren wurden und nur einen Personalausweis benötigen. Sollten E-Bikes bis auf 45 km/h beschleunigen können, handelt es sich auf jeden Fall um „Kleinkrafträder“, die eine Fahrerlaubnis der Klasse AM voraussetzen. Für alle, die in diese zweite Gruppierung der Kraftfahrzeuge fallen, wird eine Zulassung, eine Haftpflichtversicherung und der Besitz eines Führerscheins zur Pflicht.
E-Scooter werden von einem Elektromotor angetrieben und dürfen eine Geschwindigkeit von 20km/h nicht überschreiten. Sie werden rechtlich als (fahrerlaubnisfreie) Kraftfahrzeuge, bzw. als Elektrokleinstfahrzeuge eingestuft, da man sie auch ohne eigenen Kraftaufwand fahren kann. Sie müssen auf Fahrradstreifen oder Fahrradwegen gefahren werden, bzw. wenn diese nicht vorhanden sind, auf der Fahrbahn. Laut der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV)3 benötigen E-Scooter ein Kennzeichen, ein gültiges Versicherungskennzeichen (Plakette) als Nachweis über die Haftpflichtversicherung und eine gültige Betriebserlaubnis.
Das Fahren von E-Scootern setzt keine besondere Fahrprüfung voraus, aber ein Mindestalter von 14 Jahren.
Promillegrenzen für Zweiradfahrer
Die Rechtsprechung legt bisher beim Fahrradfahren etwas höhere Werte für die absolute Fahruntüchtigkeit zugrunde als beim Fahren mit motorisierten Fahrzeugen. Falls Sie während des Ausfluges auf dem Zweirad noch ein alkoholhaltiges Getränk genießen möchten, sollten Sie wissen, welchen rechtlichen Status Sie als Verkehrsteilnehmer haben. Nur auf dem klassischen Fahrrad und einem Pedelec, das bis auf max. 25 km/h beschleunigen kann, gilt aufgrund des Status „Fahrrad“ nach gängiger Rechtsprechung die 1,6 Promille-Grenze für die absolute Fahruntauglichkeit. Sollten Sie auf einem schneller fahrenden Pedelec, einem E-Scooter oder einem E-Bike unterwegs sein, gilt aufgrund des Status „Kraftfahrzeug“ die gleiche Grenze für die absolute Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille wie bei allen anderen Kraftfahrzeugen (Auto, Motorrad etc.). Das bedeutet natürlich im Umkehrschluss nicht, dass es keinerlei Konsequenzen hätte, wenn ein alkoholisierter Radfahrer einen Unfall verursacht und weniger als 1,1 bzw. 1,6 Promille im Blut hat. Aber ab dieser Grenze droht sehr wahrscheinlich auch der Verlust des PKW-Führerscheins.
Die Rechtslage stellt sich aktuell wie folgt dar:
- Nach § 316 Strafgesetzbuch (StGB) wird bestraft, wer infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher im Verkehr zu führen. Dabei ist es unerheblich, ob das Fahrzeug ein PKW oder ein Fahrrad ist. Für Radfahrer hat das BGH 1986 die absolute Fahruntüchtigkeit ab 1,7 Promille definiert. In der Rechtsprechung gehen Gerichte heute in der Regel von einem Grenzwert von 1,6 Promille aus. Wer betrunken Fahrrad fährt und dabei mit 1,6 Promille Alkohol oder mehr erwischt wird, kann den PKW-Führerschein verlieren. Dabei ist es völlig egal, ob andere Verkehrsteilnehmer gefährdet wurden oder nicht.
- Beachten Sie unbedingt den verkehrsrechtlichen Status Ihres Zweirads: Nehmen Sie als „Fahrradfahrer“ (Fährräder und bis zu 25 km/h schnell fahrende Pedelecs) am Verkehr teil, gewährt die gängige Rechtsprechung 1,6 Promille. Als „Kraftfahrzeugfahrer“ (bis zu 45 km/h schnell fahrende Pedelecs und alle E-Bikes) liegt die Grenze bereits bei 1,1 Promille.
- Für E-Scooter gelten dieselben Alkoholgrenzwerte wie für PKW-Fahrer! Wird man bei einer Zufallskontrolle mit über 0,5 Promille erwischt, begeht man eine Ordnungswidrigkeit, die mit 2 Punkten, Bußgeld und Fahrverbot geahndet wird – auch wenn keine Anzeichen von Fahrunsicherheit oder sonstige Fahrauffälligkeiten vorlagen. Das Fahrverbot gilt in der Regel auch für E-Scooter, es sei denn, E-Scooter sind im Urteil explizit vom Fahrverbot ausgenommen. Wird der E-Scooter während eines Fahrverbots genutzt, droht eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr (StGV §21).4 Bei Anzeichen von Fahrunsicherheit (z.B. Schlangenlinien fahren) oder Verursachung eines Unfalls kann bereits das Fahren mit einem E-Scooter mit 0,3 Promille als Straftat gewertet werden. Dann droht die Entziehung des Führerscheins, eine Geld- oder sogar eine Freiheitsstrafe sowie Punkte in Flensburg. Ab 1,1 Promille liegt absolute Fahruntüchtigkeit und eine Straftat vor; ab 1,6 Promille muss eine MPU absolviert werden.
- Für Fahranfänger in der Probezeit gilt auch auf dem E-Scooter die 0,0 Promille-Grenze!
- Auch Wiederholungstäter auf dem Fahrrad – selbst wenn sie unterhalb des Grenzwertes von 1,6 Promille lagen – müssen sich einer MPU unterziehen, wenn sie mehrmals unter Alkoholeinfluss fahrauffällig wurden.
- Wer mit weniger als 1,6 Promille auf dem Fahrrad unterwegs ist, riskiert ebenfalls den Führerschein, wenn er mit „alkoholtypischem Verhalten“ auffällt. Gemeint ist beispielsweise das Fahren von Schlangenlinien oder Fahren ohne Licht in der Dunkelheit. Dem alkoholisierten Radfahrer drohen zwei Punkte im Verkehrszentralregister sowie eine Geldstrafe von mehreren hundert Euro, die sich am Einkommen des Radfahrers orientiert.
- Auch für Jugendliche und junge Erwachsene gibt es einiges zu beachten. Für PKW-Fahranfänger können alkoholbedingte Fahrauffälligkeiten auf dem Fahrrad eine Verlängerung der Probezeit zur Folge haben. Und selbst wer noch gar keinen PKW-Führerschein besitzt, kann betroffen sein: Für Jugendliche ab 16 Jahren, die in betrunkenem Zustand auf dem Fahrrad erwischt werden, kann unter Umständen der Nachweis einer MPU beim Erwerb des PKW-Führerscheins erforderlich sein.
- Wer im Urlaub mit dem Fahrrad in einem anderen Land unterwegs ist, sollte beachten, dass im Ausland die Promillegrenzen oft deutlich niedriger liegen und die Rechtsprechung strenger ist als in Deutschland. Während in Deutschland die Toleranzgrenze bei 1,6 Promille liegt, sind in Österreich nur 0,8 Promille auf dem Rad erlaubt, in Belgien, Frankreich, Italien, Spanien oder den Niederlanden 0,5 und in Tschechien sogar 0,0.
Wer auf Nummer sicher gehen will, genehmigt sich also den letzten Drink genüsslich zu Hause auf der Terrasse, wenn Auto, Fahrrad oder E-Scooter sicher in der Garage verstaut sind!
Quellen:
1 Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V., ADFC-Travelbike-Radreiseanalyse (2018).
2 Deutscher Verkehrssicherheitsrat, Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss. Statisitk für ausgewählte Unfallursachen (2017).
3https://www.gesetze-im-internet.de/ekfv/index.html
4https://ra-feiertag.de/rechtsgebiete/sonstige-themen/e-scooter.html